EntscheidungsKompetenz, EntscheidungsKultur und EntscheidungsDesign

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Alles ist eine Frage der Perspektive. Das gilt genauso für alles, was Entscheidungen in Organisationen betrifft. Unabhängig davon, ob eine Organisation traditionell topdown oder agil partizipativ organisiert und strukturiert wird, gib es in jedem Falle mindestens drei große und zentrale Bereiche organisationalen Entscheidens: EntscheidungsKompetenz, -Kultur und -Design. In allen Fällen spielt die individuelle EntscheidungsKompetenz der Führungskräfte und Mitarbeitenden eine genauso große Rolle, wie die jeweilige organisationale EntscheidungsKultur und das operative EntscheidungsDesign. In diesem Beitrag werde ich die einzelnen Begriffe definieren, ihre Bedeutung und inneren Zusammenhänge darlegen. Denn besonders im Falle von Transformationen hin zu Unternehmensdemokratie, Selbstorganisation etc. ist dieser Dreiklang zentral.

Alle drei Begriffe, ihr innerer Zusammenhang und ihre Bedeutung für Transformationen und demokratische, partizipative Organisationen hatte ich das erste Mal 2010 im Rahmen meines vorletzten Buches “Feel it! Soviel Intuition verträgt Ihr Unternehmen” dargestellt. Hier nun im weiteren mein aktualisiertes Verständnis:

EntscheidungsKompetenz

Die individuelle EntscheidungsKompetenz ist das Vermögen einer Person, sowohl rationale wie intuitiv-emotionale Aspekte der Entscheidungsfindung für nachhaltig erfolgreiche Entscheidungen zu nutzen. Inwiefern bist Du in der Lage, Daten zu erheben und zu überprüfen (verifizieren/falsifizieren), zu analysieren und nützliche Schlussfolgerungen daraus zu ziehen? Und inwiefern kannst Du Deine intuitiv-emotionalen Aspekte der Entscheidungsfindung erfolgreich in Entscheidungsprozesse  integrieren? Inwiefern können das alle, die täglich Entscheidungen treffen? Dabei gilt: Keine Agilität ohne Intuition!

Die individuelle EntscheidungsKompetenz wird natürlich durch die in einer Organisation jeweils vorhandenen EntscheidungsKultur stark beeinflusst. Du kannst Deine Intuition noch so oft erfolgreich eingesetzt haben – wenn dies bei Deinem Arbeitgeber unerwünscht ist, weil dort immer noch längst widerlegte Vorstellungen über “professionelle Entscheidungen” bestehen, in denen Intuition keinen Platz hat oder gar verpönt ist, dann nutzt weder Dir noch allen anderen Mitarbeitenden eine starke Intuition.

EntscheidungsKultur

Die organisationale EntscheidungsKultur sind die (un)bewussten Grundannahmen und davon abgeleiteten Regeln oder Vorgaben, wer wie welche Entscheidungen zu treffen hat. Das betrifft erst einmal ganz grundlegende Fragen: Dürfen oder sollen Mitarbeitende und Führungskräfte (sofern es noch welche im klassischen Sinne gibt) auch ihre Intuition in Entscheidungsprozesse einbinden? Oder ist das vielmehr verboten? Die EntscheidungsKultur wird darüber hinaus durch verschiedene Elemente beeinflusst (vgl. Feel it, S. 197-235, dort sind die unten aufgeführten Punkte ausführlich beschrieben):

  • Anfängergeist: Wie expertenhörig ist die Organisation? Wird auch aktiv die Sichtweise von Anfängern erfragt, um frische Perspektiven einzuholen? …
  • Selbstorganisation: Wie partizipativ ist die Organisation, wer darf welche Entscheidungen treffen? Laufen Entscheidungsprozesse nur topdown? …
  • Fehlerfreundlichkeit: Wie wird mit Fehlern umgegangen? Werden Fehler als wichtiger Bestandteil von Lernen verstanden? …
  • Möglichkeitsräume: Wie frei dürfen Mitarbeitende das Mögliche denken und ausprobieren? Wieviel Freiraum erhalten sie in der Arbeitszeit,
  • Vertrauen: Wie steht es um das Vertrauen zwischen den Mitarbeitenden? Gibt es eher einen Vertrauensvorschuss oder Misstrauen? …
  • Sinnkopplung: Welche Bedeutung wird der Sinnkopplung zwischen Mitarbeitenden und ihrer Arbeit beigemessen? Welche Optionen bestehen, wenn Mitarbeitende ihre Arbeit nicht mehr als sinnvoll erleben? …

Die EntscheidungsKultur hat aber nicht nur einen massiven Einfluss auf die individuelle EntscheidungsKompetenz, sondern auch auf das organisationale EntscheidungsDesign. Das wird zwangsläufig immer ein Spiegelbild der EntscheidungsKultur sein:

EntscheidungsDesign

Das operative EntscheidungsDesign ist Kombination von Entscheidungsmethoden und -instrumenten in einer Organisation, um möglichst nachhaltig erfolgreiche Entscheidungen zu treffen. Dabei ist, wie oben schon angedeutet, wichtig, wie mit emotional-intuitiven Anteilen bei Entscheidungen verfahren wird. Werden auch Methoden und Instrumente eingesetzt, die die Intuition der Mitarbeitenden adressiert oder wird vielmehr versucht, diese Anteile maximal zu eliminieren? Die jeweiligen Instrumente und Methoden beziehen sich auf drei verschiedene Dimensionen der Entscheidungsfindung:

  • Einzelentscheidungen: zB konsultativer Einzelentscheid, Entscheidungsmatrix, intuitives Problemlösen …
  • Gruppenentscheidungen: zB konsultativer Gruppenentscheid, Mehrheitsentscheide, integrative Entscheidungsfindung/Konsent, Systemisches (Online) Konsensieren…
  • Großgruppenentscheidungen: zB Mehrheitsentscheide,Entscheidungsmärkte, Systemisches (Online) Konsensieren…

Zum EntscheidungsDesign gehört auch der Umgang mit den drei Phasen einer Entscheidung:

  1. Vorbereitung
  2. Entscheidung
  3. Umsetzung

Dabei ist eines unbedingt zu beachten: Bei herkömmlichen topdown Entscheidungsprozessen gilt gemäß Prof. Dr. Peter Kruse:

Die Umsetzungsgeschwindigkeit verhält sich umgekehrt proportional zur Entscheidungsgeschwindigkeit. Peter Kruse

Und genau das ist der springende Punkt bezüglich partizipativer, demokratischer Entscheidungsprozesse: Ja, natürlich dauert die kollektive Vorbereitung und der eigentliche Entscheidungsprozess länger, als wenn ein einzelner oder einige wenige eine Entscheidung treffen. Dafür muss die Entscheidung anschließend nicht aufwändig an die Umsetzer*innen kommuniziert werden. Denn die müssen erst mal informiert werden, dann müssen sie das ganze verstehen und idealerweise auch einverstanden sein – sprich: Die Entscheidung für sinnvoll halten. Auf diesem Kommunikationsweg kann es zu diversen Problemen kommen – wessenthalben die Umsetzung bei topdown Entscheiden eben viel länger dauert als bei gemeinsamen Entscheidungen, sofern die Entscheidung überhaupt umgesetzt wird.

Drei nötige Dimensionen der Entscheidung

Ohne die Reflexion und Arbeit an diesen drei Entscheidungsdimensionen wird weder eine Transformation hin zu agiler Selbstorganisation, Unternehmensdemokratie, New Work etc. gelingen, noch ist es möglich, eine beliebige Organisation hinsichtlich ihrer Entscheidungsprozesse so gut wie möglich für ihre Zwecke aufzustellen. Es braucht die Arbeit an der individuellen EntscheidungsKompetenz, der organisationalen EntscheidungsKultur und dem operativen EntscheidungsDesign. Nur gemeinsam ergeben sie einen Dreiklang, der nicht irgendwann zu einer Entscheidungskakophonie verkommt.

 

Herzliche Grüße
Andreas

 

Bildnachweis

  • Beitragsbild: pixabay/qimono, CC0
  • Feel it Cover: Wiley

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